Raus aus dem Hamsterrad
Marie, die kleine braune Hamsterdame hetzt und wetzt durch ihren Käfig. Von rechts nach links und wieder zurück. Streu und Futter fliegen in alle Richtungen. Stress liegt in der Luft! Und dann bringen die kleinen Füßchen das Hamsterrad in Schwung… Es rattert und klappert, wird schnell und schneller. Das Herzchen von Marie klopft und ihr Puls rast. Voller Anspannung frage ich mich, wie will sie das jemals wieder anhalten? Wann aussteigen und sich ausruhen?
Gefangen
Auch Fredie, kennt dieses Hamsterrad: „Obwohl ich ständig arbeite, ist es nie genug. Ich fühle mich matt und ausgelaugt, aber Pause machen ist nicht drin. Was soll mein Team von mir denken wenn ich nicht die Kontrolle behalte? Oder mein Chef? Und im Freundeskreis ist es eh „en vogue“ über Mehrstunden zu jammern.“ – In meinen Coachings lade ich Menschen dazu ein anzuhalten und für einen Moment zurück zu treten. Einen Blick von Außen auf die Szene zu wagen. Vielleicht Kraft zu schöpfen, den Fokus neu zu setzen und die eigenen Ressourcen bewusst zu aktivieren. Fredie schüttelt den Kopf: „Das ist wahnsinnig verlockend aber völlig utopisch!“
Ein paar Tage später sitzt sie bei mir im Coaching-Bus…
Ressourcensuche
Wir machen uns auf Spurensuche. „Wann und wo gelingt es dir bereits Abstand zu nehmen, zur Ruhe zu kommen und den Fokus auf dich selbst zu richten?“ frage ich. Sie überlegt und beginnt nachdenklich: „Beim Meditieren. Und im Urlaub.“ Außerdem fällt ihr noch ein: „Wenn ich einen festen Termin für mich habe, sprich Me-Time, in der Natur unterwegs bin oder bei dir beim Bogenschießen“. Sie ist erstaunt über die vielen Situationen.
„Und was ist dabei anders, als in deinem Hamsterrad?“ frage ich weiter. „Zum Meditieren gehe ich in eine Meditationsgruppe. den Urlaub verbringe ich am Liebsten in einem fernen Land. Die Natur genieße ich draußen, außerhalb der eigenen vier Wände und das Bogenschießen findet ebenfalls anderswo statt. Ich muss mich also wirklich körperlich entfernen, um Abstand zu bekommen.“ resümiert sie.
Fredie braucht eine andere Umgebung, muss neue Menschen treffen, mit ihnen sprechen, in Kontakt sein und will Neues ausprobieren. Sie muss sich wohlfühlen, an dem Ort und in der Umgebung. Sie will ihren Körper spüren, barfuß laufen, wandern, klettern, sporteln, Abenteuer erleben, im Bogen stehen und mit anderen live und in Farbe in Kontakt sein. Fredie weiß: „Ich brauche einen klar definierten Termin. Darauf kann ich hinarbeiten.“
Von sich selbst lernen
„Schnell bin ich dann wirklich im Augenblick und bei mir. Ich spüre mich und mache nur genau diese eine Sache. Das gelingt mir, wenn ich Etwas kenne und verinnerlicht habe, wie zum Beispiel den Bewegungsablauf beim Bogenschießen. Oder wenn es wirklich ganz neu ist, meine volle Aufmerksamkeit erfordert, mich herausfordert, an meine Grenzen bringt und ich spüre, was ich alles kann. Oder wenn ich mich wirklich auf eine Sache einlasse. Beim Meditieren sitze ich und versuche die Lücke zwischen zwei Gedanken größer werden zu lassen. Das gelingt mir zugegebener Maßen nicht immer, aber es ist mir doch so wichtig, dass ich es immer wieder probiere. Mal alleine, mal in kleinen Gruppen.“
„Bei all dem spüre ich manchmal schon, während ich dabei bin oder spätestens anschließend, dass ich einen anderen Blick auf die Dinge bekomme, Lösungen kreieren kann und meine Energie zurück kommt. Ich bin weniger verbissen und engstirnig. Dafür gelassener mit mir selbst und anderen, habe einen weiten Blick und kann mehr Zugeständnisse machen. Das fühlt sich lebendig und richtig gut an.“
Während Fredie erzählt, verändert sich ihre Stimmung. Ich kann das an der Art hören, wie sie spricht. Ihr Lächeln wird intensiv und versonnen. Ganz anders als im Hamsterrad, wenn die innere Kritikerin sie anspornt und höher, schneller, weiter will.
Die weise Unterstützerin
Wir sprechen über das sogenannte innere Team und seine verschiedenen Anteile. Die Perfektionistin, die alles richtig machen will und die ehrgeizige Kritikerin sind Fredie gut bekannt. Sie nehmen viel Raum ein. „In stressigen Situationen wäre es toll, wenn es außer den beiden noch eine andere geben würde. Eine Frühwarnerin. Eine Überwachung im positiven Sinne, damit ich rechtzeitig daran erinnert werde, mich nicht so von meinem Job vereinnahmen zu lassen.“ So könnte sich Fredie ihre Ressourcen bewusst machen und wenn es eng wird die eigenen Handlungsoptionen abchecken. „Die Frühwarnerin müsste mir beizeiten die Hand auf die Schulter legen und mich darin unterstützen eine gesunde Distanz zu bewahren.“
Wir finden heraus, dass diese „innere Beobachterin“ eine alte, weise Frau ist. Sie weiß, „es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, will helfen, die alten Muster zu durchbrechen und an die eigenen Ressourcen erinnern. Jene Fähigkeiten, die wir eben ermittelt haben. Sie will Fredie davor bewahren sich völlig zu verausgaben, über ihre Kräfte zu gehen und schließlich in einen Burnout zu laufen. Hierfür müssen die Perfektionistin und die Kritikerin der weisen Frau etwas Platz machen. Das ist neu und nicht ganz einfach. Aber extrem attraktiv und mit etwas Übung sicherlich machbar!
Ritual im Alltag
Fredie weiß, dass es für sie hilfreich ist, wenn sie sich und ihren Körper spürt. Deshalb überlegen wir ein Ritual für die Umsetzung in den kommenden Tagen: Eine Hand auf der Schulter als Erinnerung raus zu gehen. Raus aus der akut stressenden Situation als auch ganz real. Mal nur kurz aufs Klo, für ein bewusstes Atemzug ans Fenster oder ein anderes Mal raus in die Natur. Sie legt sich, bei mir im Bus, die Hand ein paar Mal auf die Schulter und visualisiert ihr Tun danach. Als eine Art Hausaufgabe nimmt sich sie vor, dies in den kommenden Tagen immer wieder zu tun. So ritualisiert sie diese Geste und kann sie abrufen, wenn sich das Hamsterrad wieder anfängt schnell und schneller zu drehen.
Café und Mummelhäuschen
Fredie verlässt meinen Bus und will erstmal mit ihrer „weisen Alten“ in ein Café. Reinspüren, wie es mit ihr ist. In Kontakt mit ihr sein. Sich einstimmen auf den nächsten dienstlichen Termin. Ich schmunzel und bin gespannt, wie die beiden sich eingrooven.
Mir kommt wieder das Hamsterrad von Marie in den Sinn. Es schweigt inzwischen und vom Aktionismus des Morgens ist nichts mehr zu spüren. Natürlich hat die Hamsterdame keine Ahnung von einer „inneren Beobachterin“, aber instinktiv weiß sie, Schlaf bringt Abstand und neue Energie. So finde ich sie jetzt gut eingemummelt und zufrieden schlummernd in ihrem kleinen Häuschen.
Und du? – Ein paar Fragen für dich und deine „innere Beobachterin“
Wenn du, ähnlich wie Fredie, eine gesunde Distanz zu einer Sache bekommen möchtest, die droht dich zu überrollen, dann versuche es doch auch einmal mit der inneren Beobachterin:
- Welche Tricks und Kniffe hast du, um Abstand zu bekommen, immer wieder frisch und mit neuen Ideen ans Werk zu gehen?
- Wie sieht deine innere Beobachterin aus?
- Hat sie einen Namen?
- Wann und in welchen Situationen tritt sie bei dir auf?
- Was tut sie Gutes für dich?
- Auf welche Weise kannst du sie aktivieren?
Vielleicht führst du ein inneres Zwiegespräch mit ihr. Sicherlich wirst du dabei ganz andere Ideen und Gedanken haben, als Fredie. Aber du bist sie Spezialistin für dich und dein Leben! Kreiere dir deine eigene Lösung! Das Gute liegt dabei manchmal in den kleinen Dingen. Aber auch das Unmögliche ist denkbar. Es findet ja erstmal nur in deinem Kopf statt.
Und wenn du allein nicht weiter kommst, du weißt, wie du mich findest! 😉
(Foto: Pixabay)